Willkommen auf der Homepage von Frank-Wolf Matthies

Das Wörterbuch

in der Geisterbahn

tabu bis uxorious

mit zeitgeistnahen Illustrationen

August 2011

 

tabu (1) Man sollte Menschen nicht nach ihrem Ich fragen. (2) Tabu und Geheimnis sind die Grundvoraussetzungen der Zivilisation. Wo auch nur eines von beiden fehlt, da steht die Wiege der Anarchie mit der Barbarei als Amme.

tage Delacroix: Alle diese Tage, die nicht aufgezeichnet wurden, sind wie Tage, die es nicht gegeben hat.

tagebuch Möglicher Tagebucheintrag eines pietistischen Pfarrers einer Zwanzig-Seelen-Großstadtge­mein­de unter der Rubrik Vorsätze für das neue Jahr: „1. Die christliche Religion besteht in der Tat aus 2 heterogenen Teilen. A. Der rein moralischen Art Gott zu dienen. B. Der biblischen Religion mit dem Glauben an Christum sein Verdienst und Mittleramt. Beide zusammenzuschmelzen, würde zwar ein bastardartiges Produkt hervorbringen, denn es sind tatsächlich zwei Religionen … Andererseits die Eine zum Vehikel der Anderen zu machen; soweit es ohne Glaubenszwang geschieht, verletzt die Einheit nicht. 2. Mehr Zurückhaltung in der Selbstbefriedigung üben …“

tagebücher Tagebuch führe ich, weil ich fasziniert bin von der Handlung, die ein anderer „mit meinem Blute“ schreibt. (25. 3. 1994)

tagträumer Sie, die bei Tage träumen, Haben Kenntnis von manchen Dingen, welche Denen entgehen, die nur bei Nacht zu träumen pflegen. (E. A. Poe, Eleonora)

taktik Populär formuliert: Theorie & Praxis der Kriegsführung. Die Magnesier am Mäander, beispielsweise, führten in ihrem Krieg gegen die Ephesier jeder einen Jagdhund und einen Sklaven mit Wurfspieß mit sich; beim Treffen sprangen zunächst die Hunde hervor, wild und furchtbar, wie sie waren, brachten sie in die Schlachtordnung der Gegner Verwirrung; nun erst und um so wirksamer traten die Sklaven vor und schleuderten ihre Spieße; dann erst als dritte griffen die Magnesier selbst an.

talent (1) Nur wenigen Talentierten ist es vergönnt, sich anders hervorzutun, als durch einen schnelleren Sprung in den Abgrund, einen Schrei, der stärker gellt, als der des anderen. Eine seltene Erscheinung ist der, welcher mitten in der Besessenheit der Umwelt, die man Ergebenheit nennt, Mut und Kraft genug in sich findet, dem gemeinsamen Schicksal, das ihn mit sich schleift, die Stirn zu bieten. Im Schatten wird er den Schlüssel zu dem bis dahin gefürchteten Geheimnis entdecken. (2) Offensichtlich eine Frage der Fähigkeit, sich um etwas zu kümmern und an den eigenen Glauben wirklich zu glauben, mag er nun wahr oder falsch sein. (3) Welches besitzen ist lebensgefährlich, denn man kann sich leicht tot hungern. (4) „… das habe ich von meiner Mutter geerbt, es ist eine Begabung, von der ich eigentlich wirklich nicht weiß, wozu sie gut ist.“ (O-Ton die achtzehnjährige Kleptomanin zu den wenigen Vormittagsgästen des Café Burger) (5) Da erwachte in seinem Geist 1 beklagenswertes Talent — das Talent, die Dummheit zu sehen und sie nicht ertragen zu können.

tanz (1) Verliert seinen Reiz, wenn man nicht mehr dem anderen Geschlecht gefallen will. Darum dauert die Neigung zum Tanz bei verheirateten Männern nicht lange; „bei Weibern“, schreibt Kant, „bis sie alt sind, weil sie beständig gefallen wollen.“ (2) Platon nimmt an, die Nachahmung eines Herganges sei der Entstehungsgrund jeglichen Tanzes gewesen.

tat twam asi Du bist du. (Veda und Vedanta)

taten Unsere Taten definieren uns.

tauchen. untertauchen Skyllias aus Skione galt als der beste Taucher seiner Zeit (~ 480 v. Chr.); er hatte den Persern nach dem Schiffbruch am Pelion viele Wertsachen geborgen, sich selbst aber auch viele angeeignet. Über seine Flucht zu den Griechen heißt es bei Herodot, er sei bei Aphetai untergetaucht und erst bei Artemision wieder zum Vorschein gekommen, da die Wasseroberfläche von persischen und griechischen Schiffen „bevölkert“ war; was eine ungefähre Strecke von 80 Stadien unter Wasser bedeutet.

taurier Von ihnen berichtet Herodot, sie lebten von Raub und Krieg; Schiffbrüchige und andere an ihr Land verschlagene Griechen, die ihnen in die Hände fielen, opferten sie der Jungfrau („Iphigencia  von Taurien“) auf folgende Weise: zuerst schlugen sie ihnen nach Verrichtung der Weihebräuche mit einer Keule den Kopf ein; manche sagten auch, sie stürzten den Körper von den Felsen in die Tiefe — denn der Tempel stand oben auf einem Felsen —, den Kopf aber steckten sie auf einen Pfahl; andere wieder stimmten zwar hinsichtlich des Kopfes überein, behaupteten jedoch, der Körper würde nicht vom Felsen gestürzt, sondern begraben. Den Feinden aber, die sie gefangen nahmen, schnitten sie den Kopf ab und nahmen ihn mit nach Hause: hier steckten sie ihn auf eine lange Stange und stellten ihn weit oben auf das Dach, gewöhnlich über den Rauchfang; dann, so glaubten sie, und recht eigentlich ahnt man davon noch etwas in unserem Brauch der TV-Antennen- bzw. Satellitenschüsselaufstellung, schwe­­be da oben in der Luft der Schutzgeist über ihrem Hause.

täuschungen Als 1099 der Cid Campeador gefallen war, setzte man, um die Völker zu täuschen, statt seiner eine Kleiderpuppe auf sein Ross.

technik (synonym für Fort­schritt) Zweifeln an der letztendlichen Zerstörbarkeit von Technik & Mechanisierung kann nur jener arrivierte Zeitgenosse, der heute, ein „zufällig weißhäutig gebliebener Nigger“, sich all der modernen technischen Apparaturen mit einer an Frechheit grenzenden Selbstverständlichkeit bedient, ohne jene Gedankenwelt, aus der diese Apparaturen erwuchsen, noch auszufüllen. Schon aus Selbsterhaltungstrieb flüchtet sich dieses anonyme Massenwesen in eine Vorstellungswelt, in der, mögen rings um uns noch so viel gewaltige Kulturen in Trümmern liegen, der 4-Takt-Motor Ewigkeitswert beanspruchen darf.

tee Letztendlich alles, aber wirklich auch alles, was sich trocknen und im Anschluss mit Wasser aufbrühen lässt, lässt sich in diesem Endzustand als „Tee“ bezeichnen. Samuel Johnson und Joseph Conrad tranken ihren mit Milch, verabscheuten jedoch die Zugabe von Zucker. Der Chevalier de Saint-Germain — gemeint ist ein Abenteurer, dessen wahrer Name unbekannt blieb, der sich aber Marquis de Bellamare, Surmont und anders nannte — hatte angeblich einen ganz besonderen Tee erfunden. Geboren wurde er vermutlich um 1710, gestorben ist er mit großer Wahrscheinlichkeit 1784. Überhaupt verstand er es, eine Sphäre des Geheimnisvollen um sich zu verbreiten. So behauptete er — passend zu unserem Stichwort — allen Ernstes, einen „Tee des langen Lebens“ erfunden zu haben, dank welchem er bereits zweitausend Jahre lebe, so dass er in seiner „Jugend“ häufig bei Pontius Pilatus zu Gast gewesen war und ihn zugleich mit Christus eine vertraute Bekanntschaft verbunden habe.

 

44 Seiten Text plus 2 Illustrationen

- Sammlerausgabe -

 

 

 


 www.frankwolfmatthies.de